Bis März nächsten Jahres will Großbritannien die Verhandlungen zum Ausscheiden aus der EU lostreten. Dabei könnte es durchaus auf einen harten Schnitt hinauslaufen. Zuversichtlich sind die Brexit-Befürworter, weil sie Großbritannien zum Freihandelsvorreiter machen wollen. Von Handelsabkommen mit asiatischen Ländern – allen voran China und Indien – oder dem Mittleren Osten ist die Rede. Sei man erst einmal raus aus der EU, so die Argumentation, ließen sich weltweit neue attraktive Verträge schließen, sodass man vom internationalen Handel profitieren könne, auch ohne begünstigten Zugang zum europäischen Binnenmarkt.

Skepsis ist hier angezeigt. Denn was die Geografie internationalen Handels anbelangt, gibt es zwei simple Erkenntnisse, die auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Jan Tinbergen zurückgehen. 1) Je größer die Sozialprodukte zweier Länder sind, desto mehr Handel treiben sie miteinander. Größere Volkswirtschaften bieten eben mehr Güter und Dienstleistungen an und fragen dergleichen (im Ausland) nach als kleinere. 2) Je weiter zwei Länder voneinander entfernt sind, desto geringer ist ihr bilaterales Handelsvolumen. Das hat mit Transportkosten zu tun, aber auch mit kulturellen und sprachlichen Verschiedenheiten.

Tinbergens Einsichten treffen auch auf Großbritannien zu. Denn rund die Hälfte seiner gesamten Exporte verschickt das Land in die EU. Und seine Warenausfuhren ins nahe gelegene kleine Belgien sind dreimal so hoch wie die ins weit entfernte bevölkerungsreiche Indien.

Wenn Großbritannien also in der Nach-Brexit-Ära sein Heil in Freihandelsabkommen mit dynamischen Ländern aus Asien oder dem Mittleren Osten suchen will, ist das schön und gut. Alles spricht aber dafür, vor allem auf den nächsten und größten Nachbarn zu setzten. Und das ist nun einmal die EU.

Dr. Andreas Gontermann (Leiter Abteilung Wirtschaftspolitik, Konjunktur und Märkte)

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